Lebensziel: der älteste Verbiege-Akrobat der Welt sein!
Das wahre Leben ist nicht selten so verrückt, dass es sich kein Dichter ausdenken könnte. Bei Philipp Tigris geht das schon damit los, dass sein Vater Orthopäde ist und seine Mutter Physiotherapeutin, und er sich selbst als Kind ausgerechnet für die Kontorsion begeisterte. Also jene akrobatische Kunst, bei der sich der menschliche Körper überscheinbare anatomische Grenzen hinweg zu verbiegen weiß. Aber so war es. Der kleine Philipp aus Berlin setzte sich als Siebenjähriger in den Kopf, ein berühmter Schlangenmensch zu werden und auf den Bühnen der Welt zu brillieren. „Ich habe mich stundenlang heimlich gedehnt, in meinem Zimmer oder vor dem Fernseher. Meine Eltern haben das zwar mitbekommen, aber erst viel später erfahren, wie ernst es mir war mit meinem Wunsch“, berichtet der smarte Mann, der für das GOP gerademit der Show „Wild Boys“ unterwegs ist. Ohne in seinen Absichten bewusst gefördert zu werden, folgte er der Stimme seines Herzens. Ein paar Jahre später verpflichtete er seine Freunde für kleine Zirkusshows im Wohnzimmer und zeigte dabei bereits erste eigene Darbietungen. Und dann kam wieder so ein Unglaublichkeitsmoment in seinem Leben: Als Jugendlicher sprach er, immer wenn ein kleiner Zirkus bei ihm in der Gegend gastierte, den Direktor an, ob er in seiner Manege auftreten könne. Philipp war inzwischen so gut geworden, dass er mit Kusshand für die Dauer des Gastspiels in Berlin verpflichtet wurde. Nach dem Abi studierte er ganz brav Geschichte und Germanistik (O-Ton Philipp: „Ich bin ja ein braver Junge!“), finanzierte sein Leben aber bereits durch sein atemberaubendes Können und war auf Varieté-Bühnen im Einsatz. Eine Zirkusschule sah er nie von innen. Für den Blick von außen arbeitete er mit renommierten Regisseuren zusammen, um seinen Performances den letzten Schliff zu geben. Als Disziplin nahm er Hula-Hoop-Ringemit in sein Repertoire und zwar in einer so brillanten Art, dass Philipp Tigris mit seiner besonderen Gabe weltweit engagiert wird. Obwohl das Reisen erklärtermaßen nicht zu seinen Lieblingsbeschäftigungen gehört, gastiert er sogar in Australien.„Meine Kollegen überall auf der Welt zu treffen, neue Menschen kennenzulernen und aufzutreten, steht über allem“, sagt er mit seinem bezaubernden Lächeln. Für das Publikum alles zu geben und zu spüren, dass die Herzen ihm zufliegen, bedeutet für ihn jeden Abend das absolute Glück. Auch seine Eltern können das freie Künstlerleben ihres Sohnes inzwischen akzeptieren und sind stolz auf den Lebensentwurf ihres Sohnes. Dass er sein bürgerliches Ursprungsbiotop nicht verleugnen kann, merkt Philipp täglich daran, dass er im Gegensatz zu etlichen Kollegen so gar nicht das Klischee bedient. Er liebt die Routine, geht gerne abends früh ins Bett, trainiert mit großer Disziplin und ist überaus achtsam mit seinem Körper. „Ich bin jetzt 42 und täglich dankbar, wie großartig mein Body alles mitmacht. In mancher Hinsicht wird bei einem Artisten mit dem Älterwerden vieles besser. Und damit meine ich nicht nur die Bühnenpräsenz...“ Die Aufs und Abs eines Lebens als Selbstständiger kann er inzwischen mit Gleichmut wegatmen. „Es wird immer ruhigere Zeiten geben und solche, in denen sich die Ereignisse überschlagen. Ich bin da entspannt. Irgendetwas geht immer. “Wenn man Philipp nach seinen Plänen für die mittlere und ferne Zukunft fragt, überlegt er kurz und sagt dann: „Im allerbesten Fall bin ich in 40 Jahren der älteste Kontorsionist der Welt.“ Dafür wird er sich ins Zeug legen, die Messlatte liegt hoch: In Australien gibt es eine Kollegin, die mit ihren akrobatischen Extremleistungen noch mit 72 Jahren auf der Bühne steht. Philipp Tigris ist mit seiner hinreißenden Hula-Hoop-Marinero-Darbietung im GOP in der Show „Wild Boys“ zu sehen. Das Programm läuft vom 5. Juli bis zum 27. August im Theater Hannover.